Im Buddhismus (ab 5. Jahrhundert v. Chr.) hat Karuna als tätiges Mitgefühl und Erbarmen eine ähnlich hohe Bedeutung, ohne jedoch an ein Gottesgebot anzuknüpfen. Der Begriff umfasst alle Handlungen, die helfen, das Leiden anderer zu verringern. Karuna gründet auf der Erfahrung der Einheit alles Seienden in der Erleuchtung und erstreckt sich unterschiedslos auf alle Lebewesen. Die Nähe, die Jesus gerade zu Angehörigen solcher Gruppen suchte und pflegte, sollte nicht nur ihre Isolation beenden (Mk 1,40–44EU), sondern auch ihr Verhalten gegenüber ihren Mitmenschen verändern. Die matthäische Textversion zitiert das Gebot der Nächstenliebe abschließend als positives Gegenstück zu den Verboten des Dekalogs . Lk 19,8EU stellt heraus, dass der reiche Zöllner Zachäus aufgrund Jesu Zuwendung sein Raubgut vierfach erstatten und zudem sein halbes Vermögen den Armen schenken wollte, während der reiche Mann in Lk 18,18ffEU eben dazu nicht fähig war.
Dieses wird gegen Hass, Rache und Nachtragen in einem Streit unter Brüdern gestellt und schließt darum Versöhnung mit Feinden ein. Im Tanach ist der „Nächste“ immer ein bestimmter, aktuell begegnender oder zum Gesichtskreis eines Israeliten gehörender „Mitmensch“. Das Substantiv reah kann für „Verwandter“ , „Nachbar“ , „Freund“ (1. Samuel 20,41EU), „Geliebter“ oder „Anderer“ stehen. Auch dort, wo es im Kontrast zum „Fremden“ ausdrücklich den „Volksgenossen“ meint (Ex- 11,2EU; Ex- 12,35EU), zielt es auf ein allgemeingültiges Verhältnis oder Verhalten .
An diesem Maßstab würden alle Menschen, Christen wie Nichtchristen, zuletzt im Endgericht gemessen werden. Nicht das richtige Glaubensbekenntnis, sondern das Tun des Willens Gottes – eins der häufigsten Verben im Munde Jesu – sei zuletzt entscheidend . Das Neue Testament setzt das Toragebot der Nächstenliebe als bekannt und gültig voraus.
Der Begriff Des Nächsten[bearbeiten
Das Pfandrecht wird durch das Existenzminimum begrenzt, dazu wird das Pfänden des einzigen Mantels eines Obdachlosen verboten (Ex 22,25fEU; Dtn 24,6.10–13EU). Auch das Verbot des Zinsnehmens (Ex- 22,24EU; Dtn 23,20fEU; Lev 25,35ffEU) dient dem Schutz des Nächsten vor Verschuldung; ausgenommen werden in Dtn 23,21EU nur ausländische Händler. Im Erlassjahr soll alle sieben Jahre jeder aus Notlagen heraus veräußerte Landbesitz wieder an den ursprünglichen Eigentümer zurückgegeben werden, damit jeder Israelit sein Auskommen hat (Lev 25EU; Dtn 15EU). Der Text ist unter der Lizenz „Creative Commons Attribution/Share Alike“ verfügbar; Informationen zu den Urhebern und zum Lizenzstatus eingebundener Mediendateien können im Regelfall durch Anklicken dieser abgerufen werden. Durch die Nutzung dieser Website erklären Sie sich mit den Nutzungsbedingungen und der Datenschutzrichtlinie einverstanden.
Jesus von Nazaret nahm am damaligen rabbinischen Auslegungsdisput um die Reichweite des Gebots teil. Neben den synoptischen Evangelien wird es auch in den Paulusbriefen, im Jakobusbrief und den Johannesbriefen öfter zitiert und kommentiert. Im Ersten Korintherbrief beschreibt Paulus das Wesen und die Wirkung der Liebe , die hier in einer Trias neben Glaube und Hoffnung gerühmt wird; siehe christliche Tugenden. Dieser berühmte Hymnus bezieht sich in erster Linie auf die Liebe, die für Paulus als Wesen Gottes in Jesus Christus letztgültig offenbar geworden ist.
Demgemäß übersetzte die Septuaginta das Wort meist mit griechisch pläsion („Anderer, Mitmensch“). Nach christlichem Verständnis wird jemand, der Gottes Liebe und Zuwendung erfahren hat, diese nicht für sich behalten, sondern er wird sie an andere Menschen weitergeben. Nächstenliebe ist in der praktischen Umsetzung der totale persönliche Einsatz für das Wohl des Anderen. Dass man die Schwachen zu Grunde gehen lässt, wie dies der Sozialdarwinismus lehrt, ist mit dem Gebot der Nächstenliebe nicht vereinbar. Jesus ist demnach in den Armen jeder Zeit gegenwärtig, so dass Nächstenliebe für diera zugleich Gottesliebe ist.
Die Begründung für die Verhaltensänderung liegt für Lk 7,41ffEU im Empfang der Vergebung Jesu. Vor der Unterdrückung der Fremden warnt die Tora mehrfach (Ex 22,20–23; 23,6.9). Sie werden den „Witwen und Waisen“, das heißt den mittellosen Randgruppen ohne Versorger, an die Seite gestellt und erhalten wie diese die Zusage, dass JHWH ihr Schreien erhören werde. Die Ernteabgabe des Zehnten soll alle drei Jahre an die Fremden, die Witwen und Waisen im Land fließen . Heute wird Nächstenliebe weitgehend mit selbstlosem Eintreten für Andere ohne Rücksicht auf deren soziale Stellung oder Verdienste gleichgesetzt. Dieses gilt nicht als „Begleiterscheinung des Mitleids, sondern eine die fremde Person als etwas Wertvolles intendierendes Fühlen und Streben, ein von Wohlwollen bestimmtes Bezogensein auf den anderen Menschen“.
Quelltext Bearbeiten]
Ihr entsprechen auf menschlicher Seite die Nächstenliebe, die Bruderliebe und die gegenseitige Liebe zwischen Mann und Frau. Jesu eigenes im Neuen Testament dargestelltes Verhalten veranschaulichte für die Urchristen, was Nächstenliebe in seinem Sinne bedeutet. Alle Evangelien heben seine demonstrative bedingungslose Zuwendung zu damals notleidenden, unterdrückten und ausgegrenzten Gruppen hervor. Auch im zeitgenössischen Judentum waren Mitleid und eine „fundamentale menschliche Solidarität“ anerkannte Werte, so z. Neu ist somit an der Erzählung, dass diera Solidarität mit dem Nächstenliebegebot in Verbindung gebracht wird.
Nächstenliebe
Für die meisten Rabbinen impliziert Nächstenliebe Liebe zum „Fremdling“ und zum Feind, also Langmut, Verzeihen und Vergeltung von Bösem mit Gutem. Die Liebe zum Mitmenschen ist in der jüdischen Tradition verbunden mit einem bleibenden Sinn für die Würde und den Wert jedes einzelnen Menschen als einer Person. Besonderes Augenmerk widmet die Tora Schutzrechten, die bedrohte Randgruppen vor völligem Ausgeliefertsein schützen sollen.
Diese Tora-Auslegung deutet der jüdische Neutestamentler David Flusser als Ausdruck einer gesteigerten ethischen Sensibilität, die auch damalige jüdische Schriften zeigten. „Liebe“ beinhaltet hier jede dem Wohl des Mitmenschen zugewandte aktive, uneigennützige Gefühls-, Willens- und Tathandlung, nicht unbedingt eine emotionale Sympathie. Der „Nächste“ kann jeder Mensch in einer konkreten Notlage sein, der einem begegnet. Zur allgemeinen Selbstlosigkeit siehe Altruismus und Goldene Regel, zu Mitgefühl siehe Empathie.
Die Tora gebietet nirgends Feindeshass, fordert im Gegenteil zur Überwindung von Feindschaft und Rache, damit implizit zur Feindesliebe auf. Exegeten gehen davon aus, dass Jesus sich auf damalige Deutungen bezog, die Nächstenliebe auf Juden begrenzten und zum Widerstand gegen die fremden Besatzer aufriefen, wie es die Zeloten taten. Denn zuvor hatte Jesus in seiner Auslegung des Gebots Apogeo für Apogeo zum Verzicht auf Vergeltung gegenüber Unrechtstätern aufgerufen (Mt 5,38–42EU). Nächstenliebe verlangt demnach für ihn unbedingte Versöhnung gerade mit den gewalttätigen Unterdrückern der Juden und Nachfolger.