Auf dem Dach des Cafés, auf dem das Gespräch der beiden sich fortsetzt, versucht Changez den Weg von Bobby zwischen den Kulturen zu ergründen. Die beiden entwickeln in einer sich zuspitzenden Situation der Entführung eine neue Ebene des angespannten Vertrauens. Die CIA ist mit einem Einsatzkommando vor Ort und wartet dringend auf das Signal von Bobby.
Changez ist, wenn überhaupt, ein exemplarisches Einzelbeispiel einer – wider besseren Willens – gescheiterten Integration. Doch aus dem kurzen Intermezzo werden Stunden, und am Ende des Tages wissen wir zwar noch immer nicht viel mehr über den geheimnisvollen Amerikaner, aber fast alles über die Lebensgeschichte des knapp 30-jährigen Changez.
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Mit ›Der Fundamentalist, der keiner sein wollte‹ und ›Exit West‹ stand Mohsin Hamid auf der Shortlist des Man-Booker-Preises. Nun aber wendet der Creador sein Augenmerk auf Amerika – auch, wenn wir uns erneut auf pakistanischem Boden wieder finden, genauer gesagt im quirlig-staubigen Anarkali-Bazar, im Herzen von Alt-Lahore. Dort treffen ein namenloser Amerikaner und ein redseliger Pakistaner aufeinander. Sollte Ihr Anliegen nicht dabei sein, finden Sie weitere Auskünfte zu Ihren Fragen auf unseren Serviceseiten. Das verlorene Vertrauen zwischen dem Orient und dem Westen wird in diesem Buch dargestellt.
Begonnen hatte Hamid ihn schon 2000, als der Terror die Wahrnehmung der Welt noch nicht dermaßen prägte. In verschiedenen Zwischenschnitten entpuppt sich der Journalist Bobby Lincoln als CIA-Undercover-Agent. Ebenso zeigt sich, dass Changez dies weiß oder zumindest ahnt.
Allerdings nimmt dieser Erzählstrang verglichen mit den anderen einen eher marginalen Rang ein. Auch Changez\’ Lächeln angesichts der einstürzenden Zwillingstürme ist nicht so verwerflich, wie er selbst es sich immer wieder vorhält. Ist es doch fast eine Binsenwahrheit, dass man auf das Unvorstellbare, das man rational oder emotional nicht fassen kann, reflexartig mit Lachen reagiert. Für die geringe Bedeutung, die diesem Ereignis beigemessen wird, würde auch der lange Entstehungsprozess des Romans sprechen.
Und auch wenn er sich nicht als Amerikaner gefühlt hat, New Yorker war er von der ersten Sekunde an, nicht erst seit Erica, seine schöne, schwermütige Freundin, ihn zu Partys und Plätzen führte, so elitär, wie es sie nur in Manhattan gibt. Sein Held mit dem sprechenden Namen Changez schlägt eine ähnliche Wall-Street-Karriere ein und gehört zu den aussichtsreichsten und bestens entlohnten Nachwuchskräften einer exclusiven Beratungsfirma in New York. Changez ist jung, glänzend ausgebildet, materiell gut versorgt und mehr als bereit, im melting pot Amerika das Leben zu führen, das für ihn und seinesgleichen vorgesehen ist. Aber dann geschieht das Attentat, und nach und nach muss Changez sich eingestehen, dass seine erste, unwillkürliche Reaktion kein Zufall war.
Das komplette Werk ist in einem Monolog geschrieben und das macht das Buch so lesenswert. Leicht zu lesen, interessant geschrieben, so das man immer mit dabei sein möchte und ab einem bestimmten Zeitpunkt denkt man sitzt selbst in dem Café in Pakistan und bekommt alles live mit. Alles dies erfährt der Leser von Changez selbst, der lange nach jener Nacht auf Rhodos in einem Kaffeehaus im pakistanischen Lahore sitzt und einen sehr einsilbigen Gast aus Amerika zuschwadroniert.
Die autobiografischen Bezüge zu Moshin Hamid selbst mögen vielleicht offensichtlich sein. Zwar sind Krieg, Terror, islamisch verbrämter Fundamentalismus und der Ost-West-Konflikt im Roman präsent, sie dienen jedoch vielmehr als Folie für die Szenerie denn als deren eigentliches Thema. Beispielsweise verwirrt der Indien-Pakistan-Konflikt Changez wesentlich stärker als die Lage in den USA – ganz einfach, weil er sich um das Wohlergehen seiner Familie sorgt. Das Zittern dessen, der aus der Ferne Furcht und Armut betrachtet und nur ohnmächtig zuschauen kann, lähmt auch den jungen Senkrechtstarter.
Wer daher einen Roman über die Radikalisierung eines vom Westen enttäuschten Muslims erwartet, wird sich enttäuscht sehen – und das ist gut so. Misstrauisch beäugt der Gast aus dem Westen sein bärtiges Gegenüber; schließlich befindet sich Amerika – wir sind in der Gegenwart – im Krieg mit islamistischen Bewegungen weltweit. Umgeben von Kebab vom Lamm, Tikka vom Huhn, dem gedämpften Fuß der Ziege, dem scharf gewürzten Hirn des Schafs. Köstlichkeiten, durchtränkt von einem Hauch Luxus und wollüstiger Hingabe, die dem Westen fremd sind. Eine Fremdheit, die der Westen als Bedrohung empfindet. Denn unklar ist, was sich zwischen Zuhörer und Erzähler während der Erzählung abspielt.
»ein Bemerkenswerter Roman« Faz
Dem zweiten Werk des mittlerweile in London lebenden Schriftstellers dürften solche Ehren in Amerika kaum widerfahren. Changez korrigiert das stereotype Bild, das manch Europäer/Amerikaner von einem Pakistani/Muslim haben mag, spricht sich gegen Vorurteile aus und versucht, dem Amerikaner seine Sicht der Dinge und seine Weltanschauung nahe zu bringen. Er beschreibt, wie der geschätzte Mitarbeiter und unauffällige Pakistani, der in der Metropole New York lebt und dort in der bunten Vielfalt der Masse verschwindet, nach dem 11. September zum gefährlichen Quasi-Attentäter wird, der misstrauisch beobachtet wird und plötzlich auffällig und anders ist. Dass ihn seine Herkunft mit einem untrüglichen Instinkt für Hierarchien und Machtverhältnisse ausgestattet hatte, war von Vorteil.
Nadeem Aslam: Der Garten Des Blinden Roman
Denn Erica, so sieht es Changez, ist wie ihre Heimat Amerika reich und schön, aber innerlich leer und zerstört, unfähig, irgendjemanden zu lieben, nicht einmal sich selbst. So ist der Fundamentalist, der keiner sein wollte, als Liebhaber doppelt unglücklich. Der junge Pakistaner spricht den namenlos bleibenden Amerikaner an, lädt ihn ein und erzählt ungefragt seine Lebensgeschichte, die nach und nach bedrohliche Züge für den Zuhörer annimmt. Der sanfte Druck, der hier ausgeübt wird und jederzeit in nackte Gewalt umschlagen könnte, geht nicht vom Amerikaner aus, sondern vom Pakistaner.
Die Spannung zwischen beiden ist mit den Händen zu greifen, denn so gewinnend Changez auch plaudert, sein Gegenüber bleibt misstrauisch. Die Erzählkonstruktion verschärft diera Wirkung noch, als wolle der Autor uns damit zu verstehen geben, dass wir in der Regel ja doch immer nur eine Seite anhören, nur die halbe Geschichte und bestenfalls die halbe Wahrheit kennen. Das gilt auch für die Liebesgeschichte zwischen Changez und einer mondänen Ostküstenschönheit. Dass sie unglücklich verlaufen muss, ist schon am Vornamen der geliebten Frau zu erkennen.
Sein Roman ist das interessante literarische Porträt? Nicht zuletzt, weil der pakistanische Jurist, der nach seinem Princeton- und Harvard-Studium in New York arbeitete, dabei aus seinen eigenen reichen Erfahrungen schöpfen konnte. Melde dich bei LovelyBooks an, entdecke neuen Lesestoff und aufregende Buchaktionen. Trotzdem zeichnet Hamid ein feines Bild von dem, was zugeschriebene Rollen und entgegengebrachtes Misstrauen in einem Menschen auslösen können.
In seinem zweitem Buch schildert Nadeem Aslam das Leben einer pakistanischen Migrantenfamilie in England, die zwischen einer traditionell islamischen Mutter und dem aufgeklärten Rest der Familie auseinander gerissen ist. Aufrüttelnd, provozierend und mit unwiderstehlicher Sogkraft Lahore. Mohsin Hamid, geboren in Lahore, Pakistan, studierte Jura in Harvard und Literatur in Princeton. Heute lebt er mit seiner Familie in Lahore und London. \’Der Fundamentalist, der keiner sein wollte\’ wurde von Mira Nair verfilmt.
Ales Stegers Protagonistin hat eine Schreibkrise, während Europa zerfällt. Und Jennifer Egan lädt ihr Bewusstsein in einer Cloud hoch. Wir befinden uns in Lahore, Pakistan – und wenn ich sage »wir«, dann meine ich das genau so.