Saschas Freundin Catrin, mit der er im Buch die DDR verlässt, kommt im Largometraje nicht vor. Obwohl Kurt Umnitzer zu diesem Zeitpunkt bereits fünfunddreißig Jahre alt war, erhielt er sofort eine Doktoranden-Stelle an der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Er promovierte als Historiker und schrieb im Verlauf seiner Karriere ein Dutzend Bücher über die Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung. Die Geschichtsverfälschung des SED-Regimes zeigt sich im Prozess um den Parteiausschluss eines Historikers, der die Einheitsfrontpolitik der KPD während der Weimarer Republik kritisch betrachtete. Obgleich das Verfehlte dieser Politik jedem klar war, weil sie das Erstarken des Faschismus auf schlimmste Weise befördert hatte (S. 171), herrscht darüber ein Rede- und Denkverbot. Dementsprechend erscheint Kurt auch die Festrede eines Parteifunktionärs zu Wilhelms 90.
Er heiratete die Russin Irina, im Roman charakterisiert durch ihren russischen Akzent und Eigenheiten. Am Ende ihres Lebens bleibt ihr nur noch der Alkohol, in den sie sich gerne flüchtet. Sie wird auf ganz wunderbare Weise von Weihnachten 1991 berichten.
Im Jahre 1952 fühlen sich Wilhelm und Charlotte immer unwohler in Mexiko, sie sind beide ihrer Funktionen in der Redaktion der deutschen Exilzeitung „Demokratische Articulo“ entbunden worden und warten schon seit langem auf ihre Ausreisepapiere, um in der DDR ein neues Leben beginnen zu können. Zudem lebt Charlotte in ständiger Sorge um ihre in der Sowjetunion verschollenen Söhne Kurt und Werner, über deren Verbleib sie lange nichts in Erfahrung bringen kann. Schließlich beschafft ihnen ein ehemaliger Exilfreund, der inzwischen Staatssekretär in der DDR geworden ist, die ersehnten Papiere und obendrein Führungsposten an der neu zu gründenden Akademie für Staats- und Rechtswissenschaften in Neuendorf. In Zeiten des abnehmenden Lichts ist ein Montageroman mit autobiografischem Hintergrund von Eugen Ruge, der 2011 im Rowohlt Verlag erschienen ist. Er spiegelt die Geschichte der DDR im Schicksal einer Familie wider.
Vereinzelte Demokratisierungstendenzen wurden immer wieder durch repressive Kurswechsel zunichtegemacht. Diese Zusammenhänge spiegeln sich im Roman in den Beziehungen der einzelnen Familienmitglieder zueinander und werden aus ihren ganz unterschiedlichen subjektiven Perspektiven reflektiert. Genau darin liegt nach nahezu einhelliger Meinung der Rezensenten (siehe Abschnitt „Rezeption“) die Stärke des Romans, während die dargestellten Defizite der DDR-Gesellschaft bereits in zahlreichen anderen Büchern ausführlich behandelt wurden. Wenn hier eine Tendenz zu erkennen ist, dann ist es nicht die eines Verfalls, sondern die eines zunehmend offeneren Umgangs mit familiären Problemen. Kurts Erleben ist sehr stark von den langen Jahren der Lagerhaft geprägt. Oft werden lebhafte Erinnerungen durch äußere Reize, wie bestimmte Geräusche oder Gerüche, ausgelöst.
Willy Purucker: Die Grandauers Und Ihre Zeit Eine Familiengeschichte Von Willy Purucker 28 Cds
Am Ende von Wilhelms Geburtstag steht Charlotte vor den Trümmern des Buffets wie die gesamte DDR vor den Trümmern ihres Staates. Sie räsoniert über Wilhelms zunehmende Demenz – er ist für dieses Chaos verantwortlich, weil er den Ausziehtisch nicht sachgerecht zusammengebaut hat – weist aber seinerseits jegliche Verantwortung dafür von sich. Charlotte mischt in Wilhelms Abendtee zwei Esslöffel ihres Asthmamittels, obwohl der Doktor ihr gesagt hatte, eine Überdosis führe zum Atemstillstand. In diesem Kapitel erfahren wir nichts mehr von Wilhelms Tod. An anderer Stelle des Buches wird aber erwähnt, dass er am Tag dieses Geburtstages verstorben ist. Beim Besuch seiner Freundin Christina versucht er, sie zu vergewaltigen.
Kurt wurde im Herbst 1943 durch einen herabfallenden Ast am Fuß verletzt. Leutnant Sobakin rettete ihm das Leben, indem er ihn nicht auf die Krankenstation bringen ließ, wo die Essensrationen noch knapper waren als für die übrigen bereits halb verhungerten Häftlinge, sondern als Nachtwächter einteilte. In Slawa, einer Stadt im Nord-Ural, heiratete er die russische Sanitäterin Irina Petrowna.
Nicht selten bekam sie „die derbe Hand ihrer Mutter, die sie mit ganzer Wucht traf“ (S. 117), zu spüren. Dagegen bevorzugte die Mutter ihren Bruder sehr, für dessen Kunststudium sie in barbarischer Weise (S. 47) sparte. Nachdem Charlotte Wilhelm kennengelernt und sich von ihrem ersten Mann, einem Oberstudienrat, der sie mit seinen Schülerinnen betrog, getrennt hatte, trat sie in die Kommunistische Partei ein, wo sie zum ersten Mal Respekt und Anerkennung erfuhr.
Die einzelnen Familienmitglieder werden ganz individuell mit eigener Stimme porträtiert, Szenen aus deren Sicht, was sehr gut gelungen ist. Da ist einerseits Alexander, die wichtigste Figur und gleich alt wie der Autor. Sein Vater, Wolfgang Ruge, war auch Historiker mit einem umfangreichen Werk zur Arbeiterbewegung.
Das Scheitern Des Sozialistischen Experiments
Charlotte vertauschte zwei Arzneifläschchen und tat Wilhelm versehentlich statt Baldrian zwei Löffel voll von ihrer eigenen, tropfenweise einzunehmenden Medizin in den Tee. „Wenn ich mal tot bin, hat sie mich vergiftet“, hatte er zu Lisbeth gesagt. Die Prophezeiung erfüllte sich bereits wenige Stunden später, noch an seinem 90. Werner und Kurt Umnitzer waren 1941 in Moskau zu je zehn Jahren Lagerhaft verurteilt worden, weil sie sich in einem Gespräch im Zusammenhang mit dem Hitler-Stalin-Pakt kritisch über den sowjetischen Partei- und Regierungschef Stalin geäußert hatten. 1952 zogen Charlotte und Wilhelm Powileit in die DDR, um dort ihren Beitrag zum Aufbau des Sozialismus zu leisten.
Eugen Ruge
Lediglich den oft zitierten Vergleich mit Thomas Manns Buddenbrooks fanden wir etwas zu hoch gegriffen. Die Kapitel aus der von Alexander (einziger der vollständig in DDR aufwuchs) erzählten Perspektive zeigen, dass das Bildungssystem der DDR Kommunismus und die Sowjetunion glorifizierte. Alexanders Flucht in den Westen verdeutlicht die Unfähigkeit des Regimes, der Jugend sozialistische Werte zu vermitteln. Eugen Ruge, 1954 in Soswa geboren, studierte Mathematik an der Humboldt-Universität und wurde wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentralinstitut für Physik der Erde. Er war beim DEFA-Studio für Dokumentarfilm tätig, bevor er 1988 aus der DDR in den Westen ging.
Nach ihrer Rückkehr aus dem zwölfjährigen mexikanischen Exil im Jahr 1952 wurde Charlotte Institutsleiterin an der neu zu gründenden Akademie für Staats- und Rechtswissenschaften in Neuendorf bei Potsdam. Charlotte hat im Leben viel Erfahrung und Wissen angesammelt, findet jedoch bei Wilhelm und den Parteigenossen nicht die von ihr gewünschte Anerkennung. Obwohl sie sich der egozentrischen und selbstgerechten Art Wilhelms immer überlegen fühlt, hat sie eine untergeordnete Rolle in ihrer Beziehung. Sie vermeidet Streit und behält ihre Wut und später auch ihren Hass auf Wilhelm für sich. Von ihrer Familie wird sie hingegen als vorwurfsvolle und streitsüchtige Person gesehen.