Wie man es macht

Ludwig Tieck Franz Sternbalds Wanderungen Erstes Kapitel

Mit den folgenden Diskussionen des ordnungsliebenden Albrecht Dürer mit dem impulsiven Lukas von Leyden beginnt eine Reihe von Kunstgesprächen, die von nun an bis ans Ende des Romans regelmäßig in die Handlung eingeflochten werden. Lukas, der Dürer-Verehrer, begreift nicht, weshalb der Meister seinen besten Schüler nach Italien schickt. Seiner Meinung nach könne Sternbald die italienische Kunst nur aus der Perspektive eines Deutschen betrachten und demzufolge auch nur unzureichend nachahmen.

Sternbald und Rudolph waren entzückt, als sie von einem Hügel hinab in die überschwengliche Pracht hineinschauten. Das Herz ward ihnen groß, und sie fühlten sich beide neugeboren, von Himmel und Erde mit Liebe magnetisch angezogen. Mein Freund Rudolph lacht täglich über meine unschlüssige Ängstlichkeit, die sich auch nach und nach verliert. Im reinen Sinne spiegeln sich alle Empfindungen, und lassen nachher eine Spur zurück, und selbst das, was das Gemüt nicht aufbewahrt, nährt heimlicherweise den Sinn der Kunst und ist nicht verloren. Das tröstet mich und hemmt die Beklemmungen, die mich sonst nur gar zu oft überwältigten.

Tieck, Ludwig: Franz Sternbald\’s Wanderungen Bd 2 Berlin, 1798

Emma setzte sich furchtsam hinein, und flog nun nach dem Takte und Schwunge der Musik im Waldschatten auf und ab. Es war lieblich, wie sie bald hinauf in den Wipfel schwankte, bald wieder wie eine Göttin herabkam, und mit leichter Bewegung einen schönen Zirkel beschrieb. Alle beseelte, er suchte seine Traurigkeit, aber der helle, liebliche Strom ergriff auch ihn mit seinen kristallenen plätschernden Wellen, er genoß die Gegenwart und vergaß, was er verloren hatte. Er saß neben einem blonden Mädchen, mit der er bald ein freundliches Gespräch begonn, und den runden frischen Mund, die lieblichen Augen, den hebenden Busen heiter betrachtete.

Franz war unzufrieden mit sich, er hätte dem Kranken gern alle glühende Liebe eines guten Sohnes gezeigt, auf seine letzten Stunden gern alles gehäuft, was ihn durch ein langes Leben hätte begleiten sollen, aber er fühlte sich so verworren und sein Herz so matt, daß er über sich selber erschrak. Er dachte an tausend Gegenstände die ihn zerstreuten, vorzüglich an Gemälde von Kranken, von trauernden Söhnen und wehklagenden Müttern, und darüber machte er sich dann die bittersten Vorwürfe. Franz vergaß, daß er noch vor Sonnenuntergang die Stadt hatte verlassen wollen; er blieb gern, als ihn der Alte zum Abendessen bat. Bis spät in die Nacht mußte er ihm von Albrechts Werken, von ihm erzählen, dann von Pirkheimer und von seinen eigenen Entwürfen.

Die Leute aus dem Dorfe und der kleinen Stadt gingen zurück, Rudolph und Sternbald begleiteten den Zug, Laternen gingen voran, dann folgten die Spielleute, die fast beständig ihre Musik erschallen ließen, und dadurch den Zug im Takte erhielten. – Jetzt standen sie vor dem Dorfe, er nahm mit einem herzlichen Kusse Abschied; Emma war stumm, er konnte kein Wort hervorbringen. Als es noch kühler ward, ordnete man auf dem runden Rasenplatze einen lustigen Tanz an. Rudolph hatte sich auf seine Art phantastisch geschmückt, und glich einer schönen idealischen Figur auf einem Gemälde. Er war der Ausgelassenste, aber in ihm spiegelte sich die Fröhlichkeit am lieblichsten.

ludwig tieck franz sternbalds wanderungen erstes kapitel

Ludovico, der bis dahin unablässig gearbeitet und mit allen Elementen gerungen hatte, wurde nun zum ersten Male in seinem Leben zornig, er ergriff mich und warf mich im Schiffe zu Boden. ›Bist du, Elender‹, rief er aus, ›mein Freund, und unterstehst dich zu klagen, wie die Sklaven dort? Roderigo, sei munter und fröhlich, das rat ich dir, wenn ich dir gewogen bleiben soll, denn wir können ins Teufels Namen nicht mehr als sterben! ‹ Und unter dieran Worten setzte er mir mit derben Faustschlägen dermaßen zu, daß ich bald alle Besinnung verlor, und den Donner, die See und den Sturm nicht mehr vernahm.

In einer kleinen Kapelle einige Meilen von hier fand ich zuerst mich und meine Besinnung wieder. Wie man aus einem Traume erwacht, und einen längst vergessenen Freund vor sich stehen sieht, so seltsam überrascht, so durch mich erschreckt, war ich selber. Er stand bald oben auf dem Hügel und sah im Tale die versammelte Jagd, die vom Schlosse ausritt, und sich durch die Ebene verbreitete.

Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen Bd 1 Berlin, 1798

Ich glaubte in ihm einige Züge von meinem Freunde anzutreffen, und entdeckte ihm meine seltsame Leidenschaft. Wie genau lernte ich nun Laube, Haus und Garten meiner Geliebten kennen! Wie oft saßen wir da in den Nachtstunden Arm in Arm geschlungen, indem uns der Vollmond ins Gesicht schien! In der Kleidung eines gemeinen Bauern machte ich auch mit den Eltern Bekanntschaft, und schmeckte nun nach langer Zeit wieder die Süßigkeiten meiner sonstigen Lebensweise.

Franz tanzte mit seiner blonden Emma, die manchen Händedruck erwiderte, wenn sie den Reigen herunter ihm entgegenkam. Man versammelte sich nachmittags im Walde, die Gräfin hatte allen die Erlaubnis erteilt, der kühlste, schattigste Platz wurde ausgesucht, wo die dicksten Eichen standen, wo der Rasen am grünsten war. Rudolph empfing jeden Ankömmling mit einem fröhlichen Schalmeiliede, die Mädchen waren zierlich geputzt, die Jäger und Diener mit Bändern und bunten Zieraten geschmückt. Nun kamen auch die Spielleute, die lustig aufspielten, wobei Wein und verschiedene Kuchen in die Runde gingen. Die Hitze des Tages konnte an diesen Ort nicht dringen, die Bäche und fernen Gewässer spielten wie eine liebliche Waldorgel dazu, alle Gemüter waren fröhlich.

Aber so ist das Glück des Menschen, er kann sich dessen nur freuen, wenn es aus der Ferne auf ihn zuwandelt; kömmt es ihm nahe und ergreift seine Hand, so schaudert er oft zusammen, als wenn er die Hand des Todes faßte. Die jungen Freunde fühlten stillschweigend den Druck des Abschieds, der ihrer wartete, sie sahen jedem kommenden Augenblick mit Furcht entgegen, sie wußten, daß sie sich trennen mußten und konnten es doch immer noch nicht glauben. Diera Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.

Da war keine Rettung, er mußte sie wieder glauben, sie von neuem wünschen und suchen. Ruft mir, ihr Lerchen, und zieht auf meiner Bahn voran, damit ich wissen möge, wohin ich den irren Fuß setzen soll. Unter dieran Gesprächen war die Mittagsstunde herangekommen; eine junge hübsche Frau, die Gattin des Niederländers, trat herein, sie erinnerte ihren Mann mit freundlichem Gesichte, daß es Zeit sei zu essen, er möchte mit seinen Gästen in die Speisestube treten. Lukas hatte einen Freund aus der Stadt und dessen Frau eingeladen. Der kleine behende Mann schien nun bei Tische erst recht an seinem Platze zu sein; er wußte so gutmütig zum Essen und Trinken zu nötigen, daß keiner seine Einladung auszuschlagen imstande war; dabei erwies er sich überaus artig gegen die Frauen.

Als sich reparierter Wagen und das fremde Mädchen darin von der Dorfkirche und dem sinnenden Franz entfernt haben, findet Franz eine Brieftasche am Unfallort. Aus dem Inhalt der Brieftasche ersieht Franz, dass die Schöne in Antwerpen gewesen war und sowohl Lukas von Leyden als auch seinen Meister Albert Dürer verehrt. Der 22-jährige Malergeselle Franz Sternbald verlässt seinen Meister Albrecht Dürer, wandert in den nächsten Wald und trifft darin auf den Antwerpener Schmied Messys. Franz, der große Junge mit dem kindlichen Gemüt, „will nicht so zaghaft sein wie Sebastian“, sein Freund, der daheim beim Meister bleibt.

Verhältnis Von Natur Und Kunst[bearbeiten

Das dunkle Gemach wurde erhellt, der Köhler trat mit seiner Frau herein. Franz lächelte über seine nächtliche Einbildung, er sah nun die Tür, die er immer gefürchtet hatte, deutlich vor sich stehn, nichts Furchtbares war an ihr sichtbar. Die Gesellschaft frühstückte, wobei der muntere Köhler noch allerhand erzählte. Er sagte, daß in einigen Tagen eine Nonne im benachbarten Kloster ihr Gelübde ablegen würde, und daß sich dann zu dieser Feierlichkeit alle Leute aus der umliegenden Gegend versammelten.

Castellani war zurückgekommen, Franz hatte in seiner und Lenorens Gesellschaft Florenz verlassen. Jetzt waren sie vor Rom, die Sonne ging unter, alle stiegen aus dem Wagen, um den erhabenen Anblick zu genießen. Eine mächtige Glut hing über der Stadt, das Riesengebäude, die Peterskirche, ragte über allen Häusern hervor, alle Gebäude sahen dagegen nur wie Hütten aus. – Sternbalds Herz klopfte, er hatte nun das, was er von Jugend auf immer mit so vieler Inbrunst gewünscht hatte, er stand nun an der Stelle, die ihm so oft ahndungsvoll vorgeschwebt war, die er schon in seinen Träumen gesehn hatte.

Der Pilgrim erzählte, daß er nach Loreto wallfahrte, um ein Gelübde zu bezahlen, das er in einem Sturm auf der See getan. Alles schlafen, meine Freundin aber hatte in der Wirtschaft noch allerhand zu besorgen. Ich betrachtete indessen meine Kammer, sie führte auf der einen Seite nach dem Schlafzimmer des Mädchens, auf der andern in einen langen Gang, dessen äußerste Tür geöffnet war. Freundlich schien durch diera die runde Scheibe des Mondes, das schöne Licht lockt mich hinaus, ein Garten empfängt mich. Ich durchwandere auch dieran, gehe durch ein Gattertor, und verliere mich voller Erwartungen im Felde.