Wie man es macht

Sigmund Freud Das Unbehagen In Der Kultur Kapitel 3

Später tritt an die Stelle der Eltern die größere menschliche Gesellschaft. Auch die Religion kann ihr Versprechen auf Glückserfüllung nicht halten, doch beeinflusst sie alle Menschen in ihrer Wegwahl und will ihnen ihren Massenwahn aufdrängen. Dem Gläubigen bleibt somit die individuelle Neurose erspart und als letzte Lustquelle im Leiden nur die bedingungslose Unterwerfung. Die Befriedigung aus Illusionen, die dem realitätsunabhängigen Phantasieleben entstammen und in denen sich alle Wünsche erfüllen, ist eine Leidabwehr, zu der auch der Kunstgenuss als Lustquelle gehört, deren Wirkung aber sehr schwach ist.

Auch der Todestrieb zeige sich in zwei Gestalten; eine primäre Tendenz ist die der Selbstzerstörung, durch Ablenkung nach außen ergebe sich hieraus die Neigung zur Aggression und zur Destruktion. Auf den ersten Blick sehe es anders aus, denn die Grundlage der Kultur sei, neben der gemeinschaftlichen Arbeit und Arbeitsteilung, die Liebe und damit die Triebbefriedigung. Die Liebe führe historisch zur Bildung der Familie, nicht nur die Liebe in ihrer sexuellen Form , sondern auch in ihrer „zielgehemmten“, zärtlichen Gestalt . Zwischen Liebe und Kultur gebe es jedoch zugleich einen Gegensatz.

sigmund freud das unbehagen in der kultur kapitel 3

So tauscht der Kulturmensch für ein Stück Glücksmöglichkeit durch ungehemmte Triebbefriedigung ein Stück persönlicher Sicherheit ein. Auf welchem Weg sind wohl so viele Menschen zu diesem Standpunkt befremdlicher Kulturfeindlichkeit gekommen? Ich meine, eine tiefe, lang bestehende Unzufriedenheit mit dem jeweiligen Kulturzustand stellte den Boden her, auf dem sich dann bei bestimmten historischen Anlässen eine Verurteilung erhob. Den letzten und den vorletzten dieser Anlässe glaube ich zu erkennen; ich bin nicht gelehrt genug, um die Kette derselben weit genug in die Geschichte der menschlichen Art zurückzuverfolgen.

Ein Gefühl kann doch nur dann eine Energiequelle sein, wenn es selbst der Ausdruck eines starken Bedürfnisses ist. Ein ähnlich starkes Bedürfnis aus der Kindheit wie das nach dem Vaterschutz wüßte ich nicht anzugeben. Damit ist die Rolle des ozeanischen Gefühls, das etwa die Wiederherstellung des uneingeschränkten Narzißmus anstreben könnte, vom Vordergrund abgedrängt. Bis zum Gefühl der kindlichen Hilflosigkeit kann man den Ursprung der religiösen Einstellung in klaren Umrissen verfolgen. Es mag noch anderes dahinterstecken, aber das verhüllt einstweilen der Nebel. Er fragt uns, warum wir gerade die Vergangenheit einer Stadt ausgewählt haben, um sie mit der seelischen Vergangenheit zu vergleichen.

Freud, Sigmund: Das Unbehagen In Der Kultur

Die Kultur ermöglicht es, dass eine größere Anzahl von Menschen in Gemeinschaft bleiben konnte. Sie beruht einerseits auf dem Zwang zur Arbeit, also auf äußerer Not, auf „Ananke“ (griechisch für \’Notwendigkeit\’). Basis der Gemeinschaft ist aber zugleich die „Macht der Liebe“, von Freud „Eros“ genannt. Sie bildet in zwei Formen ein Fundament der Kultur, in Gestalt der genitalen Liebe mit direkter sexueller Befriedigung in der Beziehung von Mann und Frau und in der Form der „zielgehemmten“ Liebe, der Zärtlichkeit, in der Beziehung zwischen Mutter und Kind. Freud nimmt an, dass der Mensch mit zwei Grundtrieben ausgestattet ist, Eros und Todestrieb. Der Eros trete in doppelter Form auf, als Narzissmus und als Objektliebe.

Viele dieser Begriffe, wie Es oder Über-Ich, hat er selbst geprägt, sie sind aber auch denjenigen verständlich, die sich in seiner Theorie nicht auskennen. Freud bringt seine Gedanken klar auf den Punkt und scheut auch vor provokanten Formulierungen nicht zurück. In einer Kultur wird das Recht des Einzelnen durch die Gruppe geschützt und die Macht des Stärkeren begrenzt. Das heißt, der Einzelne kann nicht einfach seine Triebe ausleben, denn das würde die Gruppe zerstören. Das Individuum in der Kultur muss seine Triebe entweder unterdrücken oder auf andere Weise ausleben. Weil der Mensch danach strebt, glücklich zu werden, fügt er sich in die Gemeinschaft und damit in die Kultur ein.

sigmund freud das unbehagen in der kultur kapitel 3

Das Schuldgefühl beruht hier auf „\’soziale\’ Angst“ (S. 251) vor der Autorität. Die Aggression wird von der Kultur nicht einfach nur unterdrückt. Die Kultur verwendet die unterdrückte Aggression vielmehr zum Aufbau der Kultur, und zwar dadurch, dass sie die Aggressionslust in Schuldbewusstsein verwandelt.

Diese ästhetische Einstellung zum Lebensziel“, so wertet Freud selbst abschließend, „bietet wenig Schutz gegen drohende Leiden, vermag aber für vieles zu entschädigen“ (S. 49). Es ist in der Tat viel leichter, durch Analyse den irdischen Kern der religiösen Nebelbildungen zu finden, als umgekehrt, aus den jedesmaligen wirklichen Lebensverhältnissen ihre verhimmelten Formen zu entwickeln. Die letztere ist die einzig materialistische und daher wissenschaftliche Methode“ . Meine Unparteilichkeit wird mir dadurch leicht, dass ich über all diese Dinge sehr wenig weiß, mit Sicherheit nur das eine, dass die Werturteile der Menschen unbedingt von ihren Glückswünschen geleitet werden, also ein Versuch sind, ihre Illusionen mit Argumenten zu stützen. Ich verstünde es sehr wohl, wenn jemand den zwangsläufigen Charakter der menschlichen Kultur hervorheben und z.

Die Kultur Und Die Triebe Des Menschen

Ob ein Mensch moralisches Verhalten zeigt oder Schuldgefühle hat, hängt nicht davon ab, ob er ein guter Mensch ist, sondern davon, wie stark sein Über-Ich ausgeprägt ist und ihn unter Druck setzt. Moralisches Verhalten ist demnach nicht „gut“, sondern nur eine Aggression, die der Mensch gegen sich selbst wendet, weil er sie nicht ausleben darf. Oft sind es herausragende Persönlichkeiten, die dieses Über-Ich prägen, und oft üben sie erst nach ihrem Tod dieran Einfluss aus. Das Kultur-Über-Ich prägt das Über-Ich des Einzelnen, der der Kultur angehört. Die Regeln des Kultur-Über-Ichs sind in ethischen Vorschriften festgehalten. Kultur-Über-Ich und individuelles Über-Ich stellen hohe Forderungen an das Ich.

Ob dieses die Forderungen bewältigen kann und ob es damit glücklich ist, ist ihnen gleichgültig. Nach den Forderungen des Über-Ichs soll das Ich das Es kontrollieren – das ist dem Ich aber gar nicht möglich. Wenn das Ich mit den Forderungen des Über-Ichs und der daraus resultierenden Kontrolle des Es überfordert ist, entstehen Neurosen. Mit zunehmender Reife orientiert sich der Mensch nicht mehr nur an Autoritäten. Die strafende Instanz verlagert sich nach innen und wird als Über-Ich ein Teil der eigenen Persönlichkeit.

Der Nutzen der Ordnung ist ganz offenbar; bei der Reinlichkeit haben wir zu bedenken, daß sie auch von der Hygiene gefordert wird, und können vermuten, daß dieser Zusammenhang den Menschen auch vor der Zeit einer wissenschaftlichen Krankheitsverhütung nicht ganz fremd war. Aber der Nutzen erklärt uns das Streben nicht ganz; es muß noch etwas anderes im Spiele sein. Auf der ersten Stufe bezieht es sich auf eine äußere Autorität. Das Kind wird durch diese Autorität an den frühesten und bedeutsamsten Bedürfnisbefriedigungen gehindert, es reagiert hierauf mit einer erheblichen Aggressionsneigung, und es verzichtet aus Angst vor dem Liebesverlust darauf, diese Aggression zu befriedigen.

Es bildet sich aus den Aggressionen des Menschen und übt diese Aggressionen, die das Ich eigentlich nach außen ausleben wollte, gegen das Ich selbst aus, indem es dieses kontrolliert und Schuldgefühle verursacht. Bezeichnend ist, dass sie nicht nur dann auftreten, wenn man etwas Böses getan hat, sondern auch dann, wenn man das Böse nur gedacht hat. Denn dem Über-Ich kann der Mensch nicht entfliehen, es kennt ja sogar seine Gedanken. Ein ausgeprägtes Über-Ich wird mit der Zeit immer strenger, und gerade sehr moralische Menschen haben die meisten Schuldgefühle. Solche Menschen neigen dazu, auch Schicksalsschläge nicht als Unglück, sondern als verdiente Strafe anzusehen und ihr Verhalten noch mehr zu kontrollieren.

Die Angst steckt hinter allen Symptomen, sie ist teilweise unbewusst, und deshalb ist es denkbar, dass auch Schuldbewusstsein zum großen Teil unbewusst ist und dem Bewusstsein nur im Strafbedürfnis zugänglich ist. Aus dieser schwierigen Situation hilft sich das Kind, indem es in der zweiten Phase die unangreifbare Autorität durch Identifizierung in das Ich aufnimmt. Die äußere Autorität wird so zum Über-Ich, das sich dem Ich entgegenstellt und seine Aggression gegen das Ich richtet. Das Schuldgefühl bekommt damit die Form des schlechten Gewissens, es beruht auf der Angst des Ichs vor dem Über-Ich.

Abwehr Der Politisierung Der Psychoanalyse[bearbeiten

Wissenschaftliche oder künstlerische Tätigkeit kann eine solche Ersatzbefriedigung sein, sie steht aber nur wenigen offen. Suchtmittel lassen uns die Realität vergessen, doch sie haben unerwünschte Nebenwirkungen. Wenn das Leben gar nicht zu ertragen ist, flüchtet der Mensch in die Neurose oder gar in die Psychose, in Wahnvorstellungen. Als eine kollektive Wahnvorstellung kann man die Religion ansehen. Indem der Mensch sich einredet, dass eine höhere Macht sein Leben lenkt und Hingabe verlangt, erhält sein Leben einen Sinn.

Die Aurelianische Mauer 202 wird er bis auf wenige Durchbrüche fast unverändert sehen. An einzelnen Stellen kann er Strecken des Servianischen Walles durch Ausgrabung zutage gefördert finden. Wenn er genug weiß – mehr als die heutige Archäologie –, kann er vielleicht den ganzen Verlauf dieser Mauer und den Umriß der Roma Quadrata ins Stadtbild einzeichnen.